RA Stefan Gräbner Rechtsanwalt für Familiennachzug - Bundesweite Vertretung in Visumsangelegenheiten, Visabeschaffung für Ehegatten und Kindernachzug


Bei dem Familiennachzug von Eheleuten (Ehegattennachzug) ist folgendes zu beachten:

Ernsthaftigkeit der Ehe:


Sie müssen damit rechnen, dass Ihre Ehe standardmäßig von der Ausländerbehörde und der deutschen Botschaft auf Ernsthaftigkeit überprüft wird. Dies erfolgt durch getrennte und zeitgleiche Befragung der Eheleute. Hierbei müssen Sie wissen, dass das Bundesverwaltungsgeicht hier meint, dass Sie die Beweislast für die Ernsthaftigkeit der Ehe haben. Faustformel des OVG Berlin-Brandenburg ist folgende: Je mehr sich die individuelle Gestaltung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nach dem äußeren Erscheinungsbild vom Regelfall entfernt, umso mehr bedarf es im Zweifelsfall zusätzlicher tatsächlicher Darlegungen, um die Annahme zu rechtfertigen, dass die Beziehung der Ehegatten den inhaltlichen Kriterien entspricht, wie sie für den Herstellungswillen typisch sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.01.2009, OVG 2 B 11 .08). Da Sie die Ernsthaftigkeit Ihrer Ehe beweisen müssen, ist eine Vorbereitung vor der Beantragung des Visums sinnvoll.



Sprachtest:


Grundsatz: Der nach Deutschland einreisende Ausländer muss die deutsche Sprache auf dem Niveau A1 nachweisen.


Diese Rechtslage gerät ins Wanken. Denn der EuGH hat mit Urteil in der Rechtssache C-153/14 vom 9. Juli 2015 folgendes entschieden: "[Rz 57] Mit den in Art. 7 Abs. 2 Unterabgehörs. 1 der Richtlinie 2003/86 genannten Integrationsmaßnahmen darf nämlich nicht der Zweck verfolgt werden, die Personen zu ermitteln, die das Recht auf Familienzusammenführung ausüben können, sondern sie haben dem Zweck zu dienen, die Integration dieser Personen in den Mitgliedstaaten zu erleichtern. [Rz 58] Außerdem sind die besonderen individuellen Umstände, wie Alter, Bildungsniveau, finanzielle Lage oder Gesundheitszustand der Familienanigen des Zusammenführenden zu berücksichtigen, um die Familienangehörigen von dem Erfordernis der erfolgreichen Ablegung einer Basis-Integrationsprüfung zu befreien, falls sie aufgrund dieser Umstände nicht in der Lage sind, diese Prüfung abzulegen oder zu bestehen.

Nach dieser Entscheidung ist daher äußerst zweifelhaft, ob die aktuelle Rechtslage, bei der bei Familienzusammenführungen von Eheleuten einfache deutsche Sprachkenntnisse verlangt werden, mit der Familienzusammenführungsrichtlinie vereinbar ist. Denn die deutsche Regelung darf aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts nicht zur Anwendung kommen. Die deutsche Regelung kann auch nicht richtlinienkonform ausgelegt werden, da der Wortlaut des § 30 AufenthG nicht auslegungsfähig ist. Die Richter des EuGH machen somit deutlich, dass auch eine an Voraussetzungen gebundene Härtefallregelung nicht ausreicht, um die europarechtlich erforderliche individuelle Einzelfallprüfung zu gewährleisten.

Bereits das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am 04.09.2012 entschieden, dass das gesetzliche Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug des Ausländers zum deutschen Staatsbürger nur eingeschränkt gilt. Anders als beim Nachzug zu ausländischen Staatsangehörigen muss hier das Visum zum Ehegattennachzug schon dann erteilt werden, wenn Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprachkenntnisse im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder nicht innerhalb eines Jahres erfolgreich sind Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.09.2012 - BVerwG 10 C 12.12. 


Meiner Meinung nach dürfen die deutschen Botschaften nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht generell Personen von der Visumsantragstellung ausschließen, die den Sprachtest nicht bestanden haben, denn die Entscheidung stellt auf folgenden Einzelfall ab Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2010 – BVerwG 1 C 8.09. Die deutsche Regelung darf demnach nicht dazu führen, dass die deutschen Botschaften Personen davon abhalten vor Bestehen des Sprachtests einem Visumsantrag zu stellen, insbesondere wenn ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 AufenthG (Familienzusammenführung zu Deutschen) besteht. Denn das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Leitsatz für den Nachzug der Visumsantragstellerin zum in Deutschland lebendem Ausländer gemäß § 29 AufenthG ausdrücklich aus: "Das Fehlen einer allgemeinen Ausnahmeregelung für Härtefälle steht der Verfassungsmäßigkeit der Regelung nicht entgegen, da zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Trennung der Eheleute im Einzelfall auf anderem Weg, etwa durch Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Spracherwerb nach § 16 Abs. 5 AufenthG, Abhilfe geschaffen werden kann." 

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.03.2011, 2 BvR 1413/10 
Auch der neue Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hisichtlich des Erfordernisses der erfolgreichen Teilnahme des Sprachkurses und des Bestehens des Sprachtests A 1 ändert an dieser Einzelfallprüfung nichts, denn in der Entscheidung wird ausgeführt: 


 "Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet wird sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spricht, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzu kommt, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar sind, die familiäre Einheit durch Besuche oder - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt - nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen."


Dies bedeutet, dass wenn die Sprachkenntnisse nicht in einem angemessenen Zeitraum überwunden werden können, ein Visum erteilt werden muss. Meiner Einschätzung nach kann somit auch in Fällen, in denen die Sprachkenntnisse vorhanden sind, die Sprachprüfung jedoch nicht zu einem positiven Ergebnis führt, die Einzelfallprüfung das Ergebnis haben, dass ein Visum erteilt werden muss.



Fazit:


Meiner Meinung nach ist auch die neuste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zu vereinbaren, denn dort ist von Integration 

die Rede und nicht von zwingend zu erbringenden Sprachtests. Auch die Beweislast der Eheleute für die Ernsthaftigkeit der Ehe ist m.E. nicht in der Richtlinie vorgeschrieben, im Gegenteil ist von einer Beweislast der Bundesrepublik für eine Scheinehe auszugehen.


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